Der letzte Hock in der Schmiedstube

Männerchor Rieden verabschiedet sein Stammlokal    

Rest. Schmiedstube schließt nach über 90 Jahren.

Eine Riedener Institution ist nicht mehr. Bereits im vergangenen Jahr hat das Restaurant Schmiedstube seine Türen für immer geschlossen. Damit verliert auch der Männerchor Rieden seine „Heimat“. Zeit also, mit ein bisschen Wehmut zurückzublicken.

 

Ende Dezember wurde der Männerchor Rieden von seinem Ehrenmitglied Werner Müller in das Restaurant Schmiedstube zu einem Raclette-Essen eingeladen. Eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich nach rund 90 Jahren von seinem Stammlokal gebührend zu verabschieden, denn die „Schmiedstube“ ist geschlossen worden. Der Schreibende hat dann an diesem Abend eine gut recherchierte Chronik über die Geschichte des Restaurants Schmiedstube, dem Vereinslokal des Riedener Chors, vorgetragen.

Seit März 2022 ist das Restaurant Schmiedstube geschlossen. Manch einer spazierte wehmütig am Lokal vorbei und fragte sich erstaunt, was mit dem einzigen Riedener Restaurant mit dem wunderbaren Garten wohl passieren wird. Nun ist klar: Das Lokal wird nicht mehr weiterexistieren. So war die Idee von Werner Müller, den Riedener Chor einzuladen, um sich von seinem Vereinslokal zu verabschieden, sehr sympathisch.

Der Jahresabschluss des Chors begann mit einem Apéro, serviert von zwei Sängerfrauen. Anschließend wurde zu Tisch gebeten. Die Tische und Stühle waren von fleißigen Händen speziell für diesen Anlass herbeigeschafft worden, denn das Restaurant war bereits ausgeräumt. Nachdem alle den Hunger gestillt hatten, gab der Chor, der so manches Fest in den letzten 90 Jahren erlebt hat, zwei „Ständli“ vor dem Fahnenkasten, dirigiert von Remo Manhart. Dann warteten alle auf den Vortrag, die spannende Geschichte von Jürg Bahnmüller über die Schmiedstube. 

 

Die Schmiedstube seit 1930

Laut Katasterplan und weiteren Informationen ist das Haus im Jahre 1930 erstellt worden. Die Einweihung fand am 4. Oktober statt. Der damalige Wirt baute in der Schrankwand im neuen Vereinslokal des Männerchors Rieden einen grosszügigen Fahnenkasten als Geschenk an den Verein ein. Bisher existierte gegenüber dem damaligen Neubau bereits seit ca. 1840 an der alten Winterthurerstrasse 97 das alte Restaurant Schmiedstube, welches vom Schmiedemeister Rudolf Maurer erstellt war. Das Haus wurde dann 1932 abgebrochen. 

Schon die „alte Schmiedstube“ war laut den Protokollaufzeichnungen spätestens ab 1921 das Vereinslokal des Riedener Chores, wo meistens die GV’s abgehalten wurden. Ab 1935 fanden dann bis zum Jahre 2011 insgesamt 73 Generalversammlungen in der neuen „Schmidte“, wie man sie im Volksmund nannte, statt.

Zusätzlich wurde ebenfalls ab dem Jahre 1956 jedes Jahr ein Preiskegeln durchgeführt. Der Erlös aus diesem Anlass wurde jeweils für die Finanzierung des vereinseigenen Jahresschlussabends benötigt. Das Kegeln war bis zum Jahre 1988 jährlich im Programm. Es wurde dann durch das Preisjassen abgelöst. Auch dieser Anlass hatte 32 Jahre lang Bestand. Total sind dies also über 100 offizielle Anlässe bei denen die Mitglieder des Chores Stunden in ihrem Vereinslokal verbrachten. Die „Schmidte“ wurde auch oft zum Treffpunkt der Riedener Sänger. Gartenfeste unter den Platanen, Abschlusshock’s nach Sängerfesten oder auch mal Dorffeste --  eigentlich immer nach einem gemeinsamen sängerischen oder gesellschaftlichem Anlass traf man sich, vielfach auch mit den Frauen und Freunden, zum Abschluss noch in der „Schmidte“.

Wirte in der Schmiedstube

Wer die ersten 20 Jahre das Zepter führte, war nicht zu ergründen. Der erste Wirt, mit dem der Männerchor eng zusammenarbeitete, war Eugen Bollier, welcher nach 10 Jahre Tätigkeit im Jahre 1968 aufhörte. Anschließend führte Gigi Tschanz einige Jahre das Restaurant. Mit einer grossen Wappenscheibe als Geschenk wurde sie dann im Jahre 1972 verabschiedet.

Dann begann die lange Ära Gerber. Zuerst Vater Albert, welcher sein Metzgerberuf an den Nagel hängte und Wirt wurde. Kurze Zeit war er Aktivsänger und daher auch dem Chor sehr wohlgesinnt. Als er   überraschend im Jahre 1981 starb, übernahm sein Sohn Peter das Restaurant und führte es im gleichen Sinne weiter wie seine Eltern. Diese gut 13 Jahre mit der Familie Gerber bis 1987 waren wohl die prägendste Zeit des Männerchors in der „Schmidte“.

Da wurden jeweils an Samstagen legendäre Generalversammlungen durchgeführt mit Mehlsuppe zur mitternächlichen Stunde, um die Freinacht gut zu überstehen. Oft wurde sogar ein reichhaltiges Frühstücksbufffet am Sonntagmorgen aufgetischt. Die längste Generalversammlung -- so hat der Schreibende vernommen -- soll bis am Sonntagabend um 18 Uhr gedauert haben. Die Familien Gerber waren während ihrer Zeit überaus großzügig und Gönner des Chores.

Dann kamen die acht Jahre von Peter Gutmann. In dieser Zeit begann der jährlich stattfindende Riedener Märt, in den das Restaurant jeweils involviert war. Das herausragendste Ereignis mit Peter Gutmann war wohl der Weltrekordversuch, das längste Cordon-Bleu vorne auf dem großen Parkplatz herzustellen, welcher dann aber knapp scheiterte.

Anschliessend kam für einige Jahre die Zeit von der Walliserin Veronika Hiltbrand, bis dann im Jahre 2001 Peppino Parmaksitz die Leitung übernahm. Pächterin war damals eine Brauerei. Wegen einigen Unstimmigkeiten wurde dann die Generalversammlungen des Männerchors für drei Jahre ins katholische Pfarreizentrum verlegt, ehe dann von 2006 bis 2011 die Versammlung wieder in die „Schmidte“ zurückzügelte.

Ab 2011 waren dann die Wirtewechsel etwas viel, so dass auch die Generalversammlungen nicht mehr im Vereinslokal stattfanden. Man darf aber behaupten, der Männerchor Rieden hat während den 92 Jahren Bestand eng mit sieben Wirten zusammengearbeitet, das macht immerhin über 50 Jahre persönliche Freundschaften aus.

Spezielle Schmankerl

Für diese lange Zeit des Bestehens seien doch noch einige spezielle Highlights erlaubt. Im Jahre 1939 musste die Generalversammlung wegen der Maul- & Klauenseuche mehrere Monate verschoben werden. An der 100-Jahr-Feier 1963 waren grosse Delegationen der Dorfvereine anwesend, die das Lokal bis auf den letzten Platz belegten. Ein Präsident zählte im Jahre 1969 an der GV auf, er hätte für sein Amt 326 ankommende und 647 abgehende Gespräche am Telefon während des Jahres geführt. Ein Statistiker durch und durch.

Im Jahre 1983 überraschte die Guggenmusik Notentschalper aus Wallisellen die GV-Gesellschaft. Die Stimmung war so gut, dass Peter Gerber zum Frühstück am Sonntagmorgen für über 20 Personen auftischen konnte. In den 60er bis 80er Jahren musste praktisch für jede GV eine Verlängerungs- oder Freinacht-Bewilligung angefordert werden, die meist sogar von einem Aktivsänger, der in der Gemeindeverwaltung arbeitete, unterschrieben wurde. 

Dankeschön und auf Wiedersehn

Nicht zuletzt wegen des gehörten Vortrags über die Vergangenheit des Vereinslokals und seine Bedeutung für die Sänger wurde am Abschlussabend lebhaft von früher erzählt. Das letztmalige Zusammensein im Vereinslokal haben die Sänger in vollen Zügen genossen. Nach dem feinen Dessert stellte sich der Chor nochmals auf, um dem Sängerkameraden Werner Müller für die grosszügige Einladung zu danken.

Für Werner Müller, der im Jahre 1997 die Liegenschaft Restaurant Schmiedstube ersteigert hatte, sang der Chor noch das Lied „Dankeschön und auf Wiedersehn“. Unzählige Stunden, die viele Sänger in ihrem Stammlokal erlebt haben, gingen damit endgültig zu Ende. Wie lange es am Schlussabend gedauert hatte, soll ein Geheimnis bleiben. Möge am selben Ort, wer weiss, wieder ein Gebäude stehen, wo man einkehren kann.

 

 

Jürg Bahnmüller